Das deutsche Sexualstrafrecht schützt mit der Sanktionierung der Erregung öffentlichen Ärgernisses das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung. Erfahren Sie hier, wann der Tatbestand erfüllt ist, welche Strafen zu erwarten sind und welche Handlungen nicht als öffentliches Ärgernis bewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
Straftatbestand Erregung öffentlichen Ärgernisses
Statistische Daten
Abgrenzung zur „grob anstößigen und belästigenden Handlung“
Voraussetzungen für die Strafbarkeit
Welche Handlungen werden als Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt?
Strafbarkeit unterliegt verschiedenen Voraussetzungen
Erregung öffentlichen Ärgernisses – Recht einfach erklärt
Statistische Daten
Abgrenzung zur „grob anstößigen und belästigenden Handlung“
Voraussetzungen für die Strafbarkeit
Welche Handlungen werden als Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt?
Strafbarkeit unterliegt verschiedenen Voraussetzungen
Erregung öffentlichen Ärgernisses – Recht einfach erklärt
Straftatbestand Erregung öffentlichen Ärgernisses
Beim Begriff des „öffentlichen Ärgernisses“ denken die meisten Menschen automatisch an Ruhestörungen. Der Begriff wird juristisch jedoch in einem völlig anderen Kontext verwendet. Die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist eine Sexualstraftat und wird gemäß § 183a StGB (Strafgesetzbuch) bestraft. Paragraf 183a ist Teil des deutschen Sexualstrafrechts im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs. In diesem Abschnitt werden Straftatbestände aufgeführt, die das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung betreffen. Neben sexueller Nötigung und Vergewaltigung zählt auch die Erregung öffentlichen Ärgernisses zu diesen Straftaten. Bei einer Verurteilung werden Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt. Somit handelt es sich bei dieser Straftat um ein Vergehen und nicht um ein Verbrechen, bei dem die Mindesthaftstrafe ein Jahr betragen würde. Dennoch ist das Strafmaß ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Erregung öffentlichen Ärgernisses keinesfalls ein Kavaliersdelikt ist.
Der in Deutschland vorgesehene Strafrahmen geht über den anderer Länder hinaus. Öffentliche sexuelle Handlungen werden in Österreich gemäß § 218 des österreichischen Strafgesetzbuchs maximal mit sechs Monaten Freiheitsstrafe geahndet und in der Schweiz gemäß Artikel 198 des Schweizer Strafgesetzbuchs sogar nur mit einer Geldbuße sanktioniert.
Statistische Daten
Jedes Jahr erfasst die polizeiliche Statistik in Deutschland 7.000 bis über 8.000 Fälle der Erregung öffentlichen Ärgernisses. Im Jahr 2010 wurden 6.975 Fälle registriert und im Jahr 2020 wurde mit 8.808 Fällen ein neuer Höchststand erreicht. 2021 sank die Zahl wieder auf 8.174 Fälle.
Die Dunkelziffer dürfte jedoch erheblich höher sein, denn nicht alle Fälle werden von den Opfern angezeigt oder verfolgt, weil die Polizei oder Staatsanwaltschaft davon Kenntnis erhält.
Abgrenzung zur „grob anstößigen und belästigenden Handlung“
Die Beurteilung eines konkreten Sachverhalts ist stets eine Einzelfallentscheidung und bedarf der Feststellung, ob tatsächlich eine Erregung öffentlichen Ärgernisses oder eher eine grob anstößige und belästigende Handlung vorliegt, die früher als „grober Unfug“ bezeichnet wurde. Wenn dies der Fall ist, wird die Tat gemäß § 119 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) geahndet und nicht als Straftat bestraft. Die Sanktionierung erfolgt dann nicht mit einer Geld- oder Haftstrafe, sondern mit einer Geldbuße. Für den Täter hat dies den Vorteil, dass die Ordnungswidrigkeit im Gegensatz zur Straftat nicht ins Bundeszentralregister und ins Führungszeugnis eingetragen wird.
Wenn Sie der Erregung öffentlichen Ärgernisses beschuldigt werden, ist es unverzichtbar, einen Strafrechtsanwalt zu mandatieren, denn eine Verurteilung hat weitreichende Folgen. Der Anwalt wird Akteneinsicht anfordern und anhand der Ausgangslage prüfen, ob eine Verurteilung gemäß § 183a StGB wahrscheinlich oder eher der § 119 OWiG anzuwenden ist.
Voraussetzungen für die Strafbarkeit
Voraussetzung dafür, dass eine Handlung als Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt wird, ist das Vorliegen einer (erheblichen) sexuellen Handlung im öffentlichen Raum. Durch diese Handlung wird das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Opfer verletzt.
Für das Vorliegen einer Strafbarkeit müssen insgesamt fünf Bedingungen erfüllt sein:
1) Sexuelle Handlung
2) Erheblichkeit
3) Öffentlichkeit
4) Vorsatz
5) Bewertung der Handlung als öffentliches Ärgernis
Sexuelle Handlung
Die Vornahme einer sexuellen Handlung ist Voraussetzung dafür, dass der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses verwirklicht ist. Der sexuelle Bezug muss dabei direkt wahrnehmbar sein, sodass schriftliche oder mündliche Äußerungen nicht von der Rechtsnorm erfasst werden.
Erheblichkeit
Die Erheblichkeit ist eine weitere Bedingung für die Strafbarkeit einer Handlung und verhindert, dass die Strafbarkeit ausufert. Bei der Beurteilung, ob eine sexuelle Handlung erheblich ist, sind hohe Anforderungen zu erfüllen. Küssen und gegenseitiges Streicheln gelten beispielsweise als sozialübliche Handlungen und können deshalb nicht gemäß § 183a StGB bestraft werden. Unbestritten ist jedoch, dass öffentliches Masturbieren die Erheblichkeitsschwelle überschreitet.
Öffentlichkeit
Eine sexuelle Handlung gilt dann als öffentlich, wenn ein unbestimmter Personenkreis Zeuge der Handlung sein kann. Die Möglichkeit der Wahrnehmung ist entscheidend und nicht, ob tatsächlich mehrere Personen die Handlung wahrgenommen haben. Es reicht aus, wenn eine Person Zeuge der Handlung war.
Vorsatz
Damit der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses vorliegt, muss außerdem eine subjektive Komponente vorliegen. Nur wenn der Beschuldigte vorsätzlich handelte und beabsichtigte, beobachtet zu werden, liegt eine Straftat vor. Hat der Täter beispielsweise Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um zu verhindern, dass er beobachtet wird, ist der Straftatbestand nicht erfüllt. Die Staatsanwaltschaft muss beweisen, dass es sich um eine vorsätzliche Tat handelt.
Bewertung der Handlung als öffentliches Ärgernis
Damit der Straftatbestand erfüllt ist, muss mindestens eine Person die sexuelle Handlung als öffentliches Ärgernis empfinden und sich in ihren Anschauungen verletzt fühlen. Diese Anschauungen dürfen jedoch nicht überzogen sein. Es liegt eine Belästigung vor, wenn die Person Ekel empfindet oder sich in ihrem Schamgefühl verletzt fühlt. Ruft die sexuelle Handlung eher Belustigung, Neugier oder auch Verwunderung hervor, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Für die strafrechtliche Beurteilung ist ferner relevant, ob die negative Emotion unmittelbar oder erst später auftritt. Nur bei einer Unmittelbarkeit kann eine Verurteilung erfolgen.
Welche Handlungen werden als Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt?
Grundvoraussetzung für das Vorliegen der Erregung öffentlichen Ärgernisses ist die aktive und vorsätzliche Vornahme einer sexuellen Handlung. Doch was ist genau unter einer sexuellen Handlung zu verstehen? Im deutschen Strafgesetzbuch ist der Begriff nicht exakt definiert. Deshalb wird betrachtet, welche Einschätzungen sich in der Rechtspraxis durchgesetzt haben.
Gemäß gängiger Meinung wird eine Handlung dann als sexuell bezeichnet, wenn sie das Geschlechtliche des Menschen unmittelbar betrifft. Es ist des Weiteren erforderlich, dass die sexuelle Handlung mindestens an einem Körper (dem eigenen oder dem eines anderen Menschen) vorgenommen wird, denn die Systematik des Strafgesetzbuches sieht beispielsweise das Anfertigen kinderpornografischer Bilder als eine andere Straftat und nicht als sexuelle Handlung an.
Es ist nicht entscheidend, ob der Täter die Handlung vornimmt, um bei sich eine Erregung hervorzurufen, sondern ob ein unbeteiligter Beobachter die Handlung als sexualbezogen wahrnimmt. Dementsprechend kann das Urinieren in der Öffentlichkeit nicht aufgrund der Erregung öffentlichen Ärgernisses bestraft werden, denn es liegt dabei keine Sexualbezogenheit vor. Das öffentliche Urinieren wird in vielen Kommunen jedoch als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bestraft. In Stuttgart muss man 55 Euro und in Leipzig bis zu 5.000 Euro Bußgeld bezahlen.
Weiteres Merkmal für die Strafbarkeit ist die visuelle Wahrnehmbarkeit der sexuellen Handlung. Lautes Stöhnen, das von einem Balkon kommt und auf Sex hindeutet, reicht nicht für eine Verurteilung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses aus.
Außerdem muss die sexuelle Handlung als erheblich bewertet werden. Bei den folgenden Handlungen ist dies der Fall:
Masturbation
Geschlechtsverkehr
Oralverkehr
Analverkehr
Manipulationen entblößter Geschlechtsteile
Daraus folgt, dass es nicht strafbar ist, wenn ein Mensch in der Öffentlichkeit sein Geschlechtsteil streichelt, solange dieses dabei verdeckt ist. Gleiches gilt für ein Berühren der Brust, das Entkleiden oder einen Striptease und das Sonnenbaden ohne Oberteil. Auch der „Flitzer“, der während eines Fußballspiels nackt durch das Stadion läuft, kann nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses bestraft werden.
Nackt in der Öffentlichkeit
Der Straftatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses setzt voraus, dass eine erhebliche sexuelle Handlung vorliegt. Deswegen kann man nicht gemäß § 183a StGB verurteilt werden, weil man sich ohne sexuellen Kontext nackt in der Öffentlichkeit zeigt.
Als nicht erheblich gelten folgende Handlungen:
Ausziehen und Entkleiden
Sonnenbaden mit freiem Oberkörper
Nacktbaden
Anfertigen von „Nackt-Selfies“
Striptease
Betasten der Brust
Streicheln bekleideter Geschlechtsorgane
Darüber hinaus stellt sich im Einzelfall die Frage, ob tatsächlich eine Öffentlichkeit vorliegt. Dies ist auf Straßen, Plätzen, in öffentlichen Hauseingängen, Parks oder einem öffentlichen Gebäude zweifellos der Fall. Nicht jederzeit zugängliche Orte wie private Gärten, Hinterhöfe, Garagen, aber auch selten benutzte Waldwege gelten jedoch nicht als Öffentlichkeit. Wenn sexuelle Handlungen in einem Auto vorgenommen werden, das auf einem öffentlichen Parkplatz steht, ist das Kriterium der Öffentlichkeit erfüllt. Das gilt auch, wenn jemand am offenen Fenster seiner Privatwohnung unter dem Vorsatz masturbiert, sich dabei öffentlich zu zeigen.
Werden sexuelle Handlungen innerhalb geschlossener Kreise (z. B. FKK-Strand, Swingerclub, Verein) vorgenommen, liegt keine Strafbarkeit gemäß § 183a StGB vor.
Entblößungshandlungen
Sich nackt in der Öffentlichkeit zu zeigen ist nicht strafbar, wenn keine sexuelle Handlung durchgeführt wird. Dennoch sieht das Strafgesetzbuch Bestrafungen für Entblößungshandlungen vor, auch wenn keine weitere sexuelle Handlung folgt. In § 183 StGB wird der Straftatbestand der exhibitionistischen Handlung dargestellt, der ebenfalls mit Geldstrafen oder maximal einjährigen Freiheitsstrafen geahndet wird. Die Norm sieht keine Strafbarkeit für exhibitionistische Handlungen von Frauen vor. Damit nimmt § 183 eine Sonderstellung im deutschen Strafrecht ein, denn dies ist die einzige Norm, die eine Strafbarkeit vom Geschlecht abhängig macht.
Sex in der Öffentlichkeit
Sex in der Öffentlichkeit ist nicht in jedem Fall eine Erregung öffentlichen Ärgernisses, denn dafür muss die Prämisse erfüllt sein, dass sich andere dadurch gestört und belästigt fühlen und vorsätzlich ein entsprechender Ort gewählt wird. Fühlt sich der Täter unbeobachtet oder trifft das Paar Vorkehrungen, um nicht entdeckt zu werden, ist kein Vorsatz vorhanden und die Strafbarkeit nicht gegeben.
Gleiches gilt für die Zurschaustellung von Sex in Nachtclubs. Dabei kann unterstellt werden, dass die Besucher des Nachtclubs damit einverstanden sind, Zeuge sexueller Handlungen zu werden und sich davon nicht belästigt fühlen.
Strafbarkeit unterliegt verschiedenen Voraussetzungen
Ob es sich um eine Erregung öffentlichen Ärgernisses handelt, hängt davon ab, ob die sexuelle Handlung erheblich war, öffentlich erfolgte und außerdem mit dem Vorsatz verbunden war, andere Menschen zu belästigen. Ist dies der Fall und andere Personen fühlen sich tatsächlich belästigt und nicht belustigt oder nur verwundert, wurde das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung verletzt und es liegt eine Strafbarkeit vor. Die Bestrafung derartiger Handlungen dient dem Schutz der Bürger. Sexualisierte Gewalt führt zu schweren Traumatisierungen und dementsprechend wird angestrebt, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der die Menschen vor sexuellen Übergriffen jeder Art schützt. Aus diesem Grund ist die Erregung öffentlichen Ärgernisses ein Offizialdelikt. Wenn die Staatsanwaltschaft oder die Polizei davon Kenntnis erlangt, muss sie ein Ermittlungsverfahren einleiten – auch wenn das Opfer dieses nicht fordert.
Erregung öffentlichen Ärgernisses – Recht einfach erklärt
Welches ist das wichtigste Merkmal des Straftatbestands der Erregung öffentlichen Ärgernisses?
Anders als viele Bürger vermuten, handelt es sich bei der Erregung öffentlichen Ärgernisses nicht um Lärmbelästigungen, sondern um Belästigungen durch das Zurschaustellen sexueller Handlungen.
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Wie wird die Erregung öffentlichen Ärgernisses bestraft?
Bei der Erregung öffentlichen Ärgernisses handelt es sich um eine Straftat, die mit Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr bestraft wird.
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Erfolgt nach einer Bestrafung ein Eintrag ins Führungszeugnis?
Da die Erregung öffentlichen Ärgernisses eine Straftat ist, wird dies im Führungszeugnis eingetragen.
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Ist Nacktbaden strafbar?
Beim Nacktbaden liegt keine sexuelle Handlung vor und daher handelt es sich nicht um die Erregung öffentlichen Ärgernisses.
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Ist Sex im Auto strafbar?
Für die Beurteilung der Strafbarkeit ist entscheidend, wo das Auto steht. Sex in einem Auto, das auf einem öffentlichen Parkplatz steht, kann als Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt werden.
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