In einer ausgestreckten Hand liegen ein paar Münzen. © Adobe Stock | wernerimages

Lohnwucher: Definition, Voraussetzungen und Klage

Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer vorsätzlich deutlich weniger als branchenüblich und nützt dabei eine Schwäche des Arbeitnehmers aus, handelt es sich um Lohnwucher. Betroffene Arbeitnehmer können vor dem Arbeitsgericht eine angemessene Vergütung einklagen und zudem eine Strafanzeige stellen.

Definition von Lohnwucher


‌Unter Lohnwucher versteht man die Ausbeutung von Arbeitskräften. Diese ist arbeitsrechtlich gesehen unzulässig. Zudem stellt sie in Deutschland eine Straftat dar und findet sich deshalb auch im Strafgesetzbuch (StGB) wieder. Lohnwucher kann es sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Auszubildenden oder freien Mitarbeitern geben. 

‌Lohnwucher liegt dann vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 

‌1) Es besteht ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Arbeitsleistung und der Vergütung (§ 138 BGB, § 291 StGB). 

‌2) Der Arbeitgeber beutet den Arbeitnehmer vorsätzlich aus und verschafft sich dadurch Vermögensvorteile. 

‌3) Grundlage der Ausbeutung ist eine Schwäche oder Not des Arbeitnehmers, etwa eine Zwangslage, ein Mangel an Urteilsvermögen, eine erhebliche Willensschwäche oder Unerfahrenheit (§ 138 BGB, § 291 StGB).
Hinweis:
Lohnwucher ist der Unterfall eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts. Nach § 138 BGB sind sittenwidrige Rechtsgeschäfte nichtig. Das können bei Lohnwucher etwa Arbeitsverträge oder Entgeltvereinbarungen sein. Je nachdem, wo die Vergütung vereinbart wurde.

Bedeutung eines auffälligen Missverhältnisses


‌Auch zu Zeiten des Mindestlohns kommt es immer wieder zu Lohnwucher. So kann es unter Umständen unzureichend und sittenwidrig sein, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nur nach dem gesetzlichen oder tariflichen Mindestlohn bezahlt, die branchenübliche Vergütung aber nicht berücksichtigt. 

‌Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Arbeitsleistung und der Vergütung ist Voraussetzung für Lohnwucher. Nach aktueller Rechtsprechung liegt ein auffälliges Missverhältnis in der Regel dann vor, wenn das bezahlte Entgelt deutlich von der in der Wirtschaftsregion branchenüblichen Vergütung abweicht. Die branchenübliche Vergütung gilt also als Maßstab für den objektiven Wert der Arbeitsleistung.

Missverhältnis: Urteile des Bundesarbeitsgerichts


‌Das Bundesarbeitsgericht hat diese Thematik in verschiedenen Urteilen konkretisiert: 

‌1) Nach BAG-Urteil erfolgt die Wertbestimmung der Arbeitsleistung meist auf Grundlage der Tarifentgelte der Branche. Damit der Wert der Arbeitsleistung objektiv bestimmt werden kann, haben die Tarifentgelte in der Region ortsüblich zu sein. Eine Tarifvergütung ist dann üblich, wenn mehr als 50 Prozent der branchenzugehörigen Arbeitgeber in der Wirtschaftsregion tarifgebunden sind. Gibt es kein übliches Tarifentgelt, ist das regionale Lohnniveau, das sich für die Tätigkeit gebildet hat, zur Wertbestimmung der Arbeitsleistung heranzuziehen. 

‌2) Nach einem BAG-Urteil ist ein auffälliges Missverhältnis zumeist gegeben, wenn die Vergütung ohne Zuschüsse oder Zulagen weniger als zwei Drittel des üblichen Entgelts ausmacht. In diesem Fall ist von einem wucherischen Rechtsgeschäft auszugehen. 

‌3) Nach BAG-Urteil ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich für die Beurteilung, ob ein sittenwidriges Rechtsgeschäft vorliegt. Doch eine zunächst wirksame Entgeltvereinbarung kann auch mit der Zeit sittenwidrig und somit nichtig werden. Etwa wenn es in der Branche zu einem Anstieg des Tariflohns kommt, individuell aber keine Gehalts- oder Lohnanpassung stattfindet.
Hinweis:
Die Zwei-Drittel-Grenze, die gewöhnlich ein auffälliges Missverhältnis kennzeichnet, ist nicht starr, sondern kann im Einzelfall verschoben werden. So kann es in Hinblick auf den Wert der Arbeitsleistung besondere Umstände geben, die eine geringere Vergütung rechtfertigen. Etwa große Leistungsdefizite des Arbeitnehmers oder die Ausübung besonders einfacher Aufgaben. Im Falle eines Lehrers an einer Privatschule war es umgekehrt und das BAG sah eine Vergütung von 4 Fünftel des üblichen Entgelts für Lehrer an öffentlichen Schulen bereits als sittenwidrig an.

Ausbeutung von Arbeitnehmerschwächen


‌Damit Lohnwucher vorliegt, muss der Arbeitgeber eine Zwangslage, Unerfahrenheit, einen Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche des Arbeitnehmers ausbeuten:
  • Zwangslage: Eine Zwangslage liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer das wucherische Rechtsgeschäft eingeht, um ein größeres Übel zu vermeiden. Etwa weil er in finanzieller Bedrängnis ist und nicht so einfach eine andere Arbeit findet. 
  • Unerfahrenheit: Unerfahrenheit ist dann eine Arbeitnehmerschwäche, wenn damit ein Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung gemeint ist. So kann es etwa Berufseinsteigern an Lebenserfahrung oder eingewanderten Personen an Geschäftserfahrung mangeln. 
  • Mangel an Urteilsvermögen: Ein Mangel an Urteilsvermögen ist beispielsweise dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine verminderte Intelligenz besitzt. 
  • Erhebliche Willensschwäche: Eine erhebliche Willensschwäche besteht etwa bei Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit des Arbeitnehmers. 

  • Was tun bei Lohnwucher?


    ‌Um sich gegen Lohnwucher zu wehren, müssen Arbeitnehmer diesen zunächst einmal erkennen. Zur Orientierung können sie etwa
  • ihr Arbeitsentgelt mit ortsüblichen Tarifentgelten in der Branche vergleichen. 
  • ihr Arbeitsentgelt mit dem allgemeinen Lohnniveau in der Region vergleichen. 
  • ihre Arbeitstätigkeit auf Schwierigkeit prüfen. 
  • Ihre Arbeitsleistung mit der von anderen vergleichen und auf Defizite prüfen. 
  • Hinweis:
    In Unternehmen mit Betriebsrat gibt es seltener Lohnwucher. Denn der Betriebsrat ist nach § 80 Abs. 2 BetrVG dazu berechtigt, vom Arbeitgeber Einblick in Gehalts- und Lohnlisten zu verlangen und hat so die Möglichkeit Lohnwucher aufzudecken.

    Anwaltliche Unterstützung: Arbeitsrecht und Strafrecht


    ‌Hat ein Arbeitnehmer den Verdacht, dass er das Opfer von Lohnwucher ist, sollte er sich anwaltliche Unterstützung sichern. Er kann dabei einen Rechtsanwalt auswählen, der sowohl auf Arbeitsrecht als auch auf Strafrecht spezialisiert ist. Denn Lohnwucher ist sowohl arbeitsrechtlich als auch strafrechtlich relevant. 

    ‌Auf was bei der Anwaltswahl zu achten ist, können Sie in dem Artikel Anwalt für Arbeitsrecht erfahren. 

    ‌Ein Rechtsanwalt prüft die Situation des Arbeitnehmers in Bezug auf den vermuteten Lohnwucher. Ist es nach Einschätzung des Anwalts wahrscheinlich, dass es sich um Lohnwucher handelt, sollte der Arbeitnehmer Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist der Anwalt beim Verfassen der Klage behilflich und vertritt den Arbeitnehmer auch vor Gericht. 

    ‌Ziel des Arbeitnehmers bei einer Klage wegen Lohnwuchers ist es, das Rechtsgeschäft für nichtig erklären zu lassen. Hat er dabei Erfolg, steht ihm ab diesem Zeitpunkt eine höhere Vergütung zu. Auch kann er Vergütungs-Nachzahlungen verlangen. 

    ‌Wenn der Arbeitnehmer möchte, kann er zudem eine Strafanzeige stellen. Das ist bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft oder beim Amtsgericht möglich. Die Strafanzeige kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Ein Anwalt für Strafrecht kann dem Arbeitnehmer helfen, die Anzeige zu formulieren.

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    Lohnwucher: Erreichen des Klageziels


    ‌Nach § 138 BGB muss zunächst ein auffälliges Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung bestehen, damit das Rechtsgeschäft nichtig wird. Doch das allein reicht hinaus. Damit Lohnwucher besteht, muss der Arbeitgeber zudem eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die Willensschwäche des Arbeitnehmers ausgebeutet haben (§ 138 Abs. 2 BGB). 

    ‌Kann sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen, dass eine derartige Ausbeutung stattgefunden hat, besteht die Möglichkeit zu prüfen, ob ein wucherähnliches Rechtsgeschäft besteht. Ist dem der Fall, ist die rechtliche Konsequenz dieselbe wie bei einem tatsächlichen Lohnwucher. 

    ‌Um erfolgreich gegen ein wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB zu klagen, ist dessen Sittenwidrigkeit zu beweisen:
  • Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft in der Regel nur dann, wenn dem Arbeitgeber eine verwerfliche Gesinnung vorzuwerfen ist. 
  • Eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers ist nach BAG-Urteil grundsätzlich anzunehmen, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung besteht. Das ist dann der Fall, wenn die Arbeitsleistung mindestens doppelt so hoch wie die Vergütung ist. 
  • Liegt kein grobes Missverhältnis vor, hat der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweispflicht, dass der Arbeitgeber verwerflich gehandelt hat.

    ‌ 
  • Lohnwucher: arbeitsrechtliche und strafrechtliche Folgen


    ‌Bei Lohnwucher nach § 138 Abs. 2 BGB oder einem wucherähnlichen Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB ist das Rechtsgeschäft nichtig:
  • Ist die Vergütung im Arbeitsvertrag geregelt, ist dieser bei Lohnwucher aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten insgesamt nichtig. Es entsteht ein faktisches Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis besteht dann fort, bis der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer durch eine Anfechtungserklärung dessen Nichtigkeit geltend macht. 
  • Gibt es eine gesonderte Entgeltvereinbarung, besitzt der Arbeitsvertrag weiterhin Gültigkeit. Nur die Entgeltvereinbarung ist nichtig.  

  • ‌Die Folge des nichtigen Rechtsgeschäfts ist in beiden Fällen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die branchenübliche und nicht die vereinbarte Vergütung schuldet. Der Arbeitnehmer kann auch rückwirkend Entgeltansprüche geltend machen. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, ihm für den Anspruchszeitraum den Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der branchenüblichen Vergütung auszuzahlen.

    Verjährung von Entgeltansprüchen


    ‌Zu beachten ist, dass Entgeltansprüche verjähren können:
  • Ansprüche verjähren normalerweise nach drei Jahren (§ 195 BGB). 
  • Die Verjährungsfrist beginnt mit Ende des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind (§ 199 BGB). 
  • Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen können eine kürzere Verjährungsfrist von Ansprüchen vorsehen. Die Mindestdauer einer Ausschlussfrist beträgt 3 Monate. 
  • Strafrechtliche Folgen von Lohnwucher


    ‌Lohnwucher ist eine Straftat und gilt als Offizialdelikt. Nach § 291 StGB können die Konsequenzen für den Arbeitgeber die folgenden sein:
  • Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren 
  • in schweren Fällen: Freiheitsstrafe von zwischen sechs Monaten und zehn Jahren 
  • Hinweis:
    Ein schwerer Fall von Lohnwucher liegt beispielsweise dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dadurch in schwere wirtschaftliche Not bringt.
    Die strafrechtliche Verjährungsfrist von Lohnwucher beträgt fünf Jahre. In schweren Fällen von Lohnwucher sind es zehn Jahre (§ 78 Abs. 3 StGB).

    Lohnwucher- Recht einfach erklärt

    Was ist Lohnwucher?

    Beutet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aus, spricht man von Lohnwucher. Damit dieser vorliegt, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Etwa dass die Bezahlung deutlich niedriger ist, als es bei der Arbeitsleistung angemessen wäre. Und dass die Ausbeutung vorsätzlich geschieht. 

    ‌Weiterlesen: Definition von Lohnwucher

    Wie kann man gegen Lohnwucher vorgehen?

    Arbeitnehmer können eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Ziel ist es dabei, eine angemessene Vergütung zu erwirken. Da Lohnwucher eine Straftat darstellt ist es außerdem möglich, eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber zu stellen. 

    ‌Weiterlesen: Anwaltliche Unterstützung: Arbeitsrecht und Strafrecht

    Kann Lohnwucher verjähren?

    Möchte der Arbeitnehmer Entgeltansprüche rückwirkend geltend machen, sind Verjährungsfristen zu beachten. Die normale Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Ist eine Ausschlussfrist festgelegt, können die Ansprüche bereits früher verjähren. 

    ‌Weiterlesen: Verjährung von Entgeltansprüchen

    Ist Lohnwucher strafbar?

    Bei Lohnwucher handelt es sich um eine Straftat. Bei Anzeige des Arbeitnehmers können auf den Arbeitgeber eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe zukommen. In schweren Fällen von Lohnwucher beträgt die Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre. 

    ‌Weiterlesen: Strafrechtliche Folgen von Lohnwucher

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