Ein Zeitungsständer mit verschiedenen Zeitungen. © Adobe Stock | Lawrey

Tendenzbetrieb: Definition, Beispiele und Regelungen

Tendenzbetriebe dienen überwiegend einer ideellen Bestimmung oder einem ideellen Zweck. Ein Interesse an wirtschaftlichem Gewinn ist nicht oder nur nachrangig vorhanden. Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes finden aufgrund des Tendenzschutzes nur eingeschränkt Anwendung auf Tendenzbetriebe.

Definition eines Tendenzbetriebs


‌Für Tendenzbetriebe gelten im Arbeitsrecht besondere Bestimmungen. Die Definition eines Tendenzbetriebes sowie die entsprechenden Regelungen finden sich in Paragraph 118 des Betriebsverfassungsgesetzes. 

‌Danach gelten Betriebe und Unternehmen als Tendenzbetriebe, wenn sie „unmittelbar und überwiegend 

‌1) politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder 

‌2) Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 Anwendung findet, 

‌dienen“. 

‌Der Fokus eines Betriebs liegt in der Regel auf der Erzielung von Gewinnen. Das wirtschaftliche Interesse steht also im Vordergrund. 

‌Ein Tendenzbetrieb hingegen hat eine vorrangig ideelle Orientierung. Dem steht nicht entgegen, wenn er nebenbei auch wirtschaftliche Ziele verfolgt. Mischbetriebe, also Betriebe mit ideeller und wirtschaftlicher Orientierung, sind dann Tendenzbetriebe, wenn die Mehrheit der Arbeiten tendenzbezogen sind.

Was ist Tendenzschutz?


‌Unter Tendenzschutz versteht man besondere Privilegien eines Tendenzbetriebs. Diese werden durch § 118 BetrVG gewährt, damit die ideellen Interessen des Betriebs nicht beeinträchtigt werden. 

‌Der Tendenzschutz bewirkt, dass Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht angewendet werden, wenn sie dem Zweck des Betriebs entgegenstehen. Dadurch erfolgt insbesondere eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats

‌Folgende Aspekte sind Voraussetzung dafür, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfällt:
  • Tendenzträger: Es gibt eine Maßnahme des Arbeitgebers, die einen Tendenzträger betrifft.  
  • Tendenzmaßnahme: Die Maßnahme des Arbeitgebers ist tendenzbezogen. Das ist der Fall, wenn die ideelle Zielsetzung des Betriebs durch die Beteiligung des Betriebsrats beeinträchtigt werden könnte. 
  • Hinweis:
    Die Privilegien von Religionsgemeinschaften und ihren Einrichtungen sind umfassender als die von Tendenzbetrieben. Für sie gelten gemäß § 118 BetrVG die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes insgesamt nicht. Es handelt sich somit um einen absoluten Tendenzschutz.

    Beispiele für Tendenzbetriebe


    ‌Ein Beispiel für Tendenzbetriebe sind Betriebe, die dem Zweck der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen und nach Art 5 GG der Pressefreiheit unterliegen. Dazu zählen etwa Presseunternehmen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk- oder Fernsehanstalten sowie Zeitungsverlage. Ob ein Gewinnzweck mit dem ideellen Zweck verknüpft ist, ist unerheblich. Etwa bei einem politischen Zeitungsverlag, der mit dem Verkauf von Zeitungen Geld macht. 

    ‌Ein anderes Beispiel für Tendenzbetriebe sind Geschäftsstellen von Parteizentralen. Im Fokus stehen politische Ziele (das Ausüben von politischem Einfluss, das Werben um Wählerstimmen…) und nicht ein wirtschaftlicher Gewinn. 

    ‌Zu Tendenzbetrieben können zudem unter anderem die folgenden zählen:
  • Gewerkschaften
  • Arbeitsgeberverbände 
  • Gemeinnützige Vereine 
  • Kitas
  • Privatschulen 
  • Berufsbildungswerke 
  • Forschungsinstitute 
  • Karitative Einrichtungen wie das Rote Kreuz oder die Caritas 
  • Theater
  • Konzertagenturen
  • Museen
  • Bibliotheken 
  • Orchester
  • Hinweis:
    Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, sind diese gesondert auf ihre Tendenzbezogenheit zu prüfen. Dasselbe gilt für selbstständige Betriebsteile in Tendenzbetrieben.

    Wer ist Tendenzträger


    ‌Tendenzträger sind Arbeitnehmer eines Tendenzbetriebs, deren Tätigkeit durch den ideellen Zweck des Betriebs inhaltlich geprägt ist. Voraussetzung dafür ist, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit einen maßgeblichen Einfluss auf die Tendenzverwirklichung des Betriebs haben können, es also einen gestalterischen Spielraum gibt. 

    ‌Beispielsweise ist ein Kostümbilder eines Theaters ein Tendenzträger. Denn er hat maßgeblichen Einfluss auf die Erfüllung des künstlerischen Zwecks des Betriebs. Nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist der Leiter der Kostümabteilung hingegen in der Regel kein Tendenzträger. Denn meistens hat dieser vorwiegend administrative und organisatorische Aufgaben. Besteht kein nennenswerter Einfluss auf den künstlerischen Zweck des Theaters, ist auch keine Tendenzträgereigenschaft gegeben. 

    ‌Folgende Arbeitnehmer sind beispielsweise Tendenzträger:
  • Redakteur einer Zeitung 
  • Erzieher in einer katholischen Kita 
  • Lehrer in einem Berufsbildungswerk 
  • Hauptamtliche Funktionäre von Parteien oder Gewerkschaften 

  • ‌Selbstverständlich keine Tendenzträger sind etwa Hausmeister oder Reinigungskräfte eines Tendenzbetriebs. Aber auch Arbeitnehmer, die bei der Tendenzverfolgung mitwirken, sind keine Tendenzträger, wenn sie keinen gestalterischen Einfluss ausüben können. Etwa weisungsgebundene Pflegekräfte in einem Seniorenzentrum. Der Pflegedienstleiter und sein Stellvertreter sind hingegen nach BAG-Urteil als Tendenzträger anzusehen. Denn sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Dienstplan und die Gestaltung der Pflegeabläufe.

    Regelungen in Tendenzbetrieben


    ‌Für Tendenzbetriebe gelten nicht mehr, sondern weniger Regelungen als für andere Betriebe. Denn Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes sind gemäß § 118 BetrVG nicht anzuwenden, wenn ihnen der Zweck des Tendenzbetriebs entgegensteht. Das beschränkt etwa das Mitspracherecht des Betriebsrats bei personellen Angelegenheiten und bei Betriebsänderungen. Zudem ist die Bildung eines Wirtschaftsausschusses in einem Tendenzbetrieb nicht möglich.
    Hinweis:
    Tendenzneutrale Angelegenheiten bleiben in vollem Umfang unberührt von Einschränkungen. Etwa was das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Themen wie Arbeitszeit oder Urlaub gemäß § 87 BetrVG betrifft.

    Personelle Angelegenheiten


    ‌Plant der Arbeitgeber eine Einstellung, Versetzung, Eingruppierung oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers, handelt es sich dabei um eine personelle Einzelmaßnahme. Eine solche bedarf gemäß § 99 BetrVG in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern der Zustimmung des Betriebsrats. 

    ‌In Tendenzbetrieben ist der Betriebsrat zwar über Einstellung oder Versetzung von Tendenzträgern zu unterrichten. Allerdings hat der Betriebsrat kein Zustimmungsverweigerungsrecht.
    Hinweis:
    Bei allgemeinen personellen Maßnahmen sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in der Regel nicht eingeschränkt. Beispielsweise was die Personalplanung oder die Ausschreibung von Arbeitsplätzen betrifft. Geht es aber um tendenzbezogene Fragen, etwa bei Personalfragebogen oder Auswahlrichtlinien, ist eine Einschränkung zulässig.
    Was die Kündigung eines Tendenzträgers anbelangt, bleibt das Anhörungsrecht des Betriebsrats bestehen. Allerdings kann dessen Widerspruchsrecht entfallen. Das gilt für die ordentliche wie auch die fristlose Kündigung. Aber nur dann, wenn der Kündigungsgrund tendenzbezogene Aspekte hat. Das ist etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich öffentlich gegen die Tendenz des Betriebs stellt.

    Betriebsänderungen


    ‌Was Betriebsänderungen betrifft, gelten die entsprechenden Paragraphen des Betriebsverfassungsgesetzes nur insoweit, wie sie einen Ausgleich oder eine Milderung wirtschaftlicher Nachteile regeln (§ 118 BetrVG). 

    ‌1) Der Arbeitgeber ist weiterhin verpflichtet, den Betriebsrat von Betriebsänderungen in Kenntnis zu setzen, die erhebliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben. Etwa die Stilllegung des Betriebs oder von Betriebsteilen. Auch hat der Arbeitgeber sich mit dem Betriebsrat über die geplanten Betriebsänderungen zu beraten. (§ 111 BetrVG). 

    ‌2) Zudem gelten § 112 BetrVG und § 112a BetrVG in Hinsicht auf die Erstellung eines Sozialplans, der die wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer abfedern soll. Allerdings gelten die genannten Paragraphen nicht in Bezug auf einen Interessensausgleich. 

    ‌3) Ein Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG ist bei Tendenzbetrieben nicht vorgesehen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungs- und Beratungspflicht nach § 111 BetrVG nicht rechtzeitig nachkommt.

    Wirtschaftsausschuss


    ‌Sind in einem Unternehmen regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt, ist für gewöhnlich ein Wirtschaftsausschuss zu gründen. Dieser hat die Aufgabe, den Unternehmer in wirtschaftlichen Fragen zu beraten und den Betriebsrat darüber zu unterrichten. Da ein Tendenzbetrieb keine oder nur nachrangig wirtschaftliche Interessen verfolgt, entfällt die Vorschrift zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses nach § 118 BetrVG vollständig. Zudem bedarf auch keiner Unterrichtung der Mitarbeiter über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens nach § 110 BetrVG.

    Rechtliche Unterstützung


    ‌Bei Zweifeln, welche Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes in Tendenzbetrieben gemäß § 118 BetrVG nicht anzuwenden sind, kann ein Anwalt für Arbeitsrecht Arbeitgeber und Betriebsrat beraten. Der Betriebsrat sollte sich insbesondere dann an einen Rechtsanwalt wenden, wenn der Arbeitgeber versucht, ihm das Mitspracherecht bei sozialen Angelegenheiten zu verweigern, die nicht tendenzbezogen sind oder keine Tendenzträger betreffen.


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    ‌Oftmals wissen Arbeitgeber selbst nicht, welche Mitarbeiter eines Tendenzbetriebs als Tendenzträger gelten, da die Einordnung nicht immer einfach ist. Erhält ein Arbeitnehmer eine Kündigung, dessen Grund tendenzbezogen sind, kann er sich an einen Anwalt wenden, um seine Tendenzträgereigenschaft prüfen zu lassen. Gilt ein Arbeitnehmer nämlich nicht als Tendenzträger, kann die Kündigung unzulässig sein. In dem Fall ist es sinnvoll, vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage einzureichen.

    Tendenzbetrieb – Recht einfach erklärt

    Was versteht man unter einem Tendenzbetrieb?

    Bei einem Tendenzbetrieb steht nicht eine Gewinnabsicht, sondern eine ideelle Orientierung im Vordergrund. Die Bestimmung des Betriebs ist etwa politischer, karitativer, künstlerischer oder erzieherischer Natur. 

    ‌Weiterlesen: Definition eines Tendenzbetriebs

    Was ist der Tendenzschutz?

    Der Tendenzschutz dient dazu, die ideelle Orientierung des Betriebs zu schützen. Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes werden insoweit nicht angewandt, wie sie dem Zweck oder der Bestimmung des Betriebs entgegenstehen. 

    ‌Weiterlesen: Was ist Tendenzschutz?

    Welche Tendenzbetriebe gibt es?

    Tendenzbetriebe sind etwa Geschäftsstellen von Parteizentralen. Denn dabei steht die politische Arbeit im Vordergrund und kein wirtschaftlicher Gewinn. Auch Gewerkschaften, Theater oder karitative Einrichtungen können zu Tendenzbetrieben zählen. 

    ‌Weiterlesen: Beispiele für Tendenzbetriebe

    Wer ist ein Tendenzträger?

    Tendenzträger sind Arbeitnehmer in einem Tendenzbetrieb, die im Rahmen ihrer Tätigkeit maßgeblichen Einfluss auf die Tendenzverwirklichung nehmen können. So sind etwa Redakteure einer Zeitung Tendenzträger. 

    ‌Weiterlesen: Wer ist Tendenzträger

    Welche Regelungen gelten für Tendenzbetriebe?

    Das Betriebsverfassungsgesetz findet auf Tendenzbetriebe nur eingeschränkt Anwendung. So ist etwa das Beteiligungsrecht des Betriebsrats beschränkt, was Betriebsänderungen und personelle Angelegenheiten anbelangt. 

    ‌Weiterlesen: Regelungen in Tendenzbetrieben

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