Liegt ein dringender Tatverdacht vor, dass ein Arbeitnehmer einen schweren Pflichtverstoß begangen hat, kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter ohne Beweise kündigen. Eine Abmahnung braucht es nicht. Im Rahmen einer Anhörung muss der Arbeitnehmer aber die Chance haben, seine Unschuld zu beweisen.
Was ist eine Verdachtskündigung?
Unter den Kündigungsarten ist die Verdachtskündigung ein Sonderfall. Normalerweise braucht der Arbeitgeber einen eindeutigen und nachweisbaren Grund, um einen Arbeitnehmer zu entlassen. Dabei zeigt er etwa auf, inwieweit ein Fehlverhalten, ein Vertrauensbruch oder eine fehlende Eignung vorliegt. Das ist bei der Verdachtskündigung nicht erforderlich:
Der Arbeitgeber kann eine Verdachtskündigung ohne Beweise durchführen.
Für die Kündigung ist ein dringender Verdacht ausreichend, dass ein Arbeitnehmer in erheblichem Maß gegen den Arbeitsvertrag verstoßen hat.
Die Verdachtskündigung erfolgt üblicherweise außerordentlich und fristlos, aber auch eine ordentliche Kündigung ist möglich.
Bei erfolgreicher Verdachtskündigung droht dem Arbeitnehmer eine Sperre des Arbeitslosengeldes von bis zu 12 Wochen. Es liegt nämlich versicherungswidriges Verhalten vor, wenn ein Arbeitnehmer zum Verlust der Arbeit beiträgt. (§ 159 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III)
Kündigungsgründe
Es gibt verschiedene Szenarien, die eine Verdachtskündigung rechtfertigen. Dabei kann sich der Verdacht des Arbeitgebers auf verschiedene Anhaltspunkte stützen. Etwa auf Zeugenaussagen oder verdächtige Videoaufzeichnungen.
Es muss der starke Verdacht gegeben sein, dass der Arbeitnehmer sich eines schweren Pflichtverstoßes schuldig gemacht hat. Beispielsweise einen der folgenden:
Diebstahl
Betrug
Sexuelle Belästigung
Tätlicher Angriff
Verrat von Betriebsgeheimnissen
Unterschlagung
Unterschied zwischen Verdachtskündigung und Tatkündigung
Tatkündigung
Eine Tatkündigung kommt dann in Betracht, wenn ein beweisbarer Pflichtverstoß des Arbeitnehmers vorliegt. Bei leichten Verstößen braucht es zunächst eine Abmahnung. Diese soll dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten aufzeigen und ihm eine Warnung sein. Erst bei erneutem Verstoß kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung durchführen. Bei schweren Verstößen des Arbeitnehmers, zum Beispiel bei tätlichem Angriff auf einen Kollegen, ist eine sofortige Kündigung möglich. (§ 314 Abs. 2 BGB)
Verdachtskündigung
Bei einer Verdachtskündigung ist der dringende Verdacht auf eine schwere Vertragsverletzung ausreichend, um einen Mitarbeiter zu entlassen. Eine Abmahnung ist im Allgemeinen nicht erforderlich. Neben dem Verdacht der Vertragsverletzung stützt sich die Kündigung auf den enormen Vertrauensverlust, der eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich macht. Bei der Verdachtskündigung handelt es sich um einen Sonderfall der personenbedingten Kündigung.
Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung
Eine Verdachtskündigung muss strenge Voraussetzungen erfüllen. Denn man möchte das Risiko geringhalten, dass Arbeitgeber aufgrund eines bloßen Verdachts unschuldige Arbeitnehmer entlassen.
Folgende Punkte muss der Arbeitgeber für eine wirksame Verdachtskündigung beachten:
Dringender Verdacht: Die Verdachtskündigung darf nicht willkürlich erfolgen. Aus objektiven Gründen muss die sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass ein bestimmter Arbeitnehmer erheblich gegen den Arbeitsvertrag verstoßen hat. Der Verdacht darf nicht auf reinen Vermutungen basieren. Ein dringender Verdacht ist beispielsweise gegeben, wenn im Betrieb Geld gestohlen wird und zu dem Zeitpunkt des Diebstahls nur einziger Mitarbeiter Zugang dazu hatte.
Schwere Vertragsverletzung: Die Vertragsverletzung an sich muss schwer genug sein, dass sie eine außerordentliche und fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Bereits der bloße Verdacht muss ausreichen, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stark zu erschüttern. Das gilt unabhängig davon, ob die tatsächliche Verdachtskündigung ordentlich oder außerordentlich erfolgt. (Eine fristlose Kündigung ist etwa bei Diebstahl oder Arbeitszeitbetrug gerechtfertigt.)
Interessensabwägung: Das Interesse des Arbeitgebers an einer Kündigung muss größer sein als das Interesse des Arbeitnehmers, seine Anstellung zu behalten. Soziale Gesichtspunkte müssen in die Interessenabwägung miteinfließen. Dazu zählt das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und seine Chancen am Arbeitsmarkt. Des Weiteren darf neben der Kündigung kein milderes Mittel möglich sein, wie etwa eine Versetzung des Arbeitnehmers.
Anhörung des Arbeitnehmers: Der Arbeitgeber muss alles dafür tun, um den Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften. Dazu gehört, dass vor Durchführung der Verdachtskündigung eine Anhörung des Arbeitnehmers stattfindet.
Anhörung des Betriebsrats: Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die geplante Kündigung informieren und diesen anhören. (§ 102 BetrVG) Dabei muss er den Tatverdacht genau schildern und auch die Ergebnisse aus der Anhörung des Arbeitnehmers darlegen. Geschieht das nicht, ist die Kündigung automatisch unwirksam.
Einhaltung der Frist: Nach Aufkommen des dringenden Verdachts hat der Arbeitgeber zwei Wochen Zeit, um den Arbeitnehmer fristlos zu kündigen. (§ 626 BGB) Nach Ablauf der zwei Wochen ist nur mehr eine ordentliche Kündigung möglich.
Anhörung des Arbeitnehmers
Eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verdachtskündigung ist, dass der Arbeitgeber zunächst eine Anhörung des Arbeitnehmers durchführt. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Chance geben, sich zu dem Verdacht zu äußern und diesen zu entkräften. Bei der Anhörung gelten folgende Bestimmungen:
Der Arbeitgeber muss in der Regel innerhalb von einer Woche nach Aufkommen des Verdachts die Anhörung durchführen. Die Anhörung erfolgt üblicherweise im Rahmen eines Personalgesprächs.
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer den konkreten Tatverdacht darlegen. Zum Beispiel, dass Geld aus einem Safe entwendet wurde, zu dem im Tatzeitraum nur der Arbeitnehmer Zugang hatte.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer ersuchen, den Verdacht zu entkräften. Das kann auch eigene Nachforschungen des Arbeitnehmers beinhalten. Liegt der Vorfall bereits länger zurück, ist es unerlässlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer genügend Zeit dafür einräumt.
Die Zweiwochenfrist zur Durchführung einer außerordentlichen Kündigung setzt bis zur Anhörung aus. Die Frist ist auch gehemmt, wenn der Arbeitgeber eine zweite Anhörung benötigt.
Die Anhörung muss nicht aufgezeichnet werden. Es ist allerdings sinnvoll, ein Anhörungsprotokoll zu erstellen, für den Fall, dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt.
Der Arbeitnehmer darf einen Anwalt hinzuziehen, der zwischen ihm und dem Arbeitgeber vermittelt. Sowohl in der Vorbereitung auf die Anhörung als auch während der Anhörung kann die Unterstützung eines Anwalts hilfreich sein.
Verdachtskündigung absichern
Bestätigt sich im Zuge der Anhörung des Arbeitnehmers der Anfangsverdacht des Arbeitgebers, ist unter Umständen auch eine Tatkündigung möglich. Hat der Arbeitgeber Zweifel, ob im Falle einer Kündigungsschutzklage die Beweise vor Gericht ausreichen, kann er mehrere Kündigungen gleichzeitig durchführen:
1) Außerordentliche Tatkündigung: Die außerordentliche Tatkündigung ist dann vor Gericht gültig, wenn sich die Tat des Arbeitnehmers unstrittig beweisen lässt.
2) Außerordentliche Verdachtskündigung: Scheitert die außerordentliche Tatkündigung an der Beweislage, der dringende Tatverdacht bleibt aber bestehen, gilt ersatzweise die außerordentliche Verdachtskündigung.
3) Ordentliche Tatkündigung: Hält das Gericht die Vertragsverletzung des Arbeitnehmers zwar als erwiesen, aber bewertet diese weniger streng, kann hilfsweise eine ordentliche Tatkündigung angemessen sein.
4) Ordentliche Verdachtskündigung: Scheitert die außerordentliche Verdachtskündigung an der Zweiwochenfrist nach § 626 BGB, kann immer noch die ordentliche Verdachtskündigung als zulässig gelten.
Betriebsrat informieren und anhören
Beabsichtigt der Arbeitgeber, mehrere Kündigungen durchzuführen, ist es ratsam, dass er den Betriebsrat zu jeder der geplanten Kündigungen informiert und anhört. Das ist deshalb wichtig, weil die Kündigungen einen unterschiedlichen rechtlichen Hintergrund haben. Beschränkt sich der Arbeitgeber beispielweise darauf, den Betriebsrat nur zur außerordentlichen Tatkündigung anzuhören, ist es nicht möglich, dass er sich später in einem Gerichtsverfahren hilfsweise auf eine Verdachtskündigung beruft.
Tipps für Arbeitnehmer bei Verdachtskündigung
Verdächtigt Sie ein Arbeitgeber eines Pflichtverstoßes, dann wird er Sie zu einem Personalgespräch bestellen, in dessen Rahmen eine Anhörung stattfinden soll. Sind Sie sich keiner Schuld bewusst, dann ziehen Sie sofort einen Anwalt für Arbeitsrecht hinzu. Besprechen Sie mit ihm die weitere Vorgehensweise. Sie haben das Recht, einen Anwalt zur Anhörung mitzunehmen. Machen Sie von diesem Recht Gebrauch.
Anhörung
Schweigen ist schlecht, denn Schweigen wird zumeist als Schuldeingeständnis gewertet. Dasselbe gilt, wenn Sie nicht zur Anhörung erscheinen.
Erscheinen Sie also auf jeden Fall zur Anhörung.
Wenn möglich, holen Sie vorab Informationen zum Inhalt der Verdächtigungen ein.
Nehmen Sie einen Anwalt mit und beraten Sie sich mit ihm, bevor Sie eine Stellungnahme abgeben.
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Erhalt einer Verdachtskündigung
Sie erhalten nach erfolgter Anhörung eine Verdachtskündigung? Sie sind der Ansicht, dass diese ungerechtfertigt ist? Dann sollten Sie rechtlich dagegen vorgehen!
1) Wenn Sie Kündigungsschutz haben, können Sie innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einreichen. (§ 4 KSchG) Verzichten Sie darauf, gilt die Kündigung als rechtswirksam. (Kündigungsschutz erwirbt ein Arbeitnehmer automatisch, wenn er sechs Monate lang in einem Unternehmen beschäftigt ist, das 10 oder mehr Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. (§ 23 KSchG)
2) Sichern Sie sich die Unterstützung eines Anwalts. Dieser hat die fachliche Expertise und kann einschätzen, wie hoch Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage stehen.
3) Sollten Sie mehrere Kündigungen erhalten, ist es wichtig, dass Sie gegen jede davon vorgehen.
Verdachtskündigung – Recht einfach erklärt
Was ist eine Verdachtskündigung?
Ein Arbeitgeber kann eine Verdachtskündigung durchführen, wenn er den dringenden Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen hat. Dazu braucht er keine Beweise. Eine Verdachtskündigung ist normalerweise eine außerordentliche und fristlose Kündigung.
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Kann man wegen Verdachts auf Diebstahl gekündigt werden?
Ja, das ist möglich. Ist ein Arbeitnehmer des Diebstahls im Betrieb verdächtig, kann der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung durchführen. Ist der Diebstahl allerdings nur im Bagatellbereich, befinden Gerichte Verdachtskündigungen regelmäßig für unwirksam.
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Braucht es bei der Verdachtskündigung eine Abmahnung?
Nein, braucht es nicht. Eine Abmahnung setzt der Arbeitgeber ein, um den Arbeitnehmer zu einer Besserung seines Verhaltens zu ermahnen. Das ist bei einer Verdächtigung nicht möglich. Hier basiert die Kündigung nicht nur auf dem mutmaßlichen Verstoß, sondern auch auf dem Vertrauensverlust, der damit einhergeht. Außerdem ist der unterstellte Pflichtverstoß in der Regel so schwerwiegend, dass er eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
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Welche Voraussetzungen hat eine Verdachtskündigung?
Für eine Verdachtskündigung muss ein dringender Tatverdacht zu einer schweren Vertragsverletzung bestehen. Des Weiteren muss der Arbeitnehmer zu dem Verdacht angehört werden und die Chance haben, diesen zu entkräften. Auch eine Anhörung des Betriebsrats ist notwendig.
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Was ist ein dringender Tatverdacht?
Ein dringender Tatverdacht ist mehr als eine reine Vermutung. Es müssen objektive Gründe dafürsprechen, dass ein bestimmter Arbeitnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit die Vertragsverletzung begangen hat.
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Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anhören?
Ja, das ist unerlässlich. Verzichtet der Arbeitgeber auf eine Anhörung, ist die Kündigung unwirksam. Bei der Anhörung muss der Arbeitgeber den Hintergrund des Verdachts erläutern. Auch muss der Arbeitnehmer die Chance haben, die Vorwürfe zu entkräften.
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