Kindeswohlgefährdung: Mädchen weint, weil es ständig körperliche Gewalt zwischen den Eltern miterlebt. © Adobe Stock | Marina Andrejchenko

Kindeswohlgefährdung – Arten, Checkliste & Maßnahmen

Ist das seelische oder körperliche Wohlbefinden eines Kindes in Gefahr, spricht man von Kindeswohlgefährdung. Das Jugendamt muss bei einem Verdacht den Schutzauftrag (§ 8a SGB 8) wahrnehmen. Fachkräfte versuchen dann mithilfe der Erziehungsberechtigten oder des Gerichts die Gefahr abzuwenden.

Was ist eine Kindeswohlgefährdung?


‌Der Begriff „Kindeswohl“ bezeichnet das körperliche und psychische Wohlbefinden eines Kindes. Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn durch eine Handlung oder Unterlassung einer Handlung das Wohlergehen eines Kindes in Gefahr gebracht wird. 

‌Die Gefahr kann von einer sorgeberechtigten oder einer dritten Person ausgehen. Gefährdungslagen können sowohl innerhalb als auch außerhalb von Familien entstehen. 

‌„Kindeswohlgefährdung“ ist ein undefinierter Rechtsbegriff. Das heißt: Es gibt keine eindeutige rechtliche Definition, was damit tatsächlich gemeint ist. Ob eine Gefährdung besteht und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, entscheiden letztlich Fachkräfte des Jugendamts und das Familiengericht.
Hinweis:
Das Statistische Bundesamt erhebt regelmäßig Daten zur Kindeswohlgefährdung. 2019 wurden 55.500 Fälle von Kindeswohlgefährdung verzeichnet. Das sind 10 % mehr Gefährdungsfälle als im Vorjahr. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts von Mai 2020 zeigt, dass während der Corona-Krise kein Anstieg an Kindeswohlgefährdungen verzeichnet wurde. Jugendämter begründen dies jedoch damit, dass in der Krise Kommunikationswege unterbrochen wurden und viele Schulen und KiTas geschlossen waren.
Eine Gefährdungslage muss nicht immer aus einem bewussten Verhalten heraus entstehen. Sie kann folgende Gründe haben: 

‌1) Kindeswohlgefährdung durch Sorgerechtsmissbrauch 

‌2) Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung des Kindes 

‌3) Kindeswohlgefährdung durch unverschuldetes Versagen 

‌4) Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten einer dritten Person 

‌Für Fachkräfte und Berufsgeheimnisträger in den Bereichen Kinder- und Jungendhilfe, Kinder- und Jugendschutz, Familie und Adoption, Lehrerinnen und Lehrer, aber natürlich auch für die Eltern und Vertrauenspersonen von Kindern ist der Begriff des Kindeswohls von zentraler Bedeutung.

Welche Formen von Kindeswohlgefährdung gibt es?

1) Vernachlässigung


‌Kinder brauchen zum Schutz ihrer körperlichen, emotionalen und seelischen Unversehrtheit und Entwicklung die Hilfe ihrer Eltern. Um das zu gewährleisten, müssen die Personensorgeverantwortlichen ihren Fürsorgepflichten nachkommen. Sie müssen die essentiellen Bedürfnisse der Kinder erfüllen. 

Unterlassen personensorgeberechtigte oder erziehungsbevollmächtigte Personen die notwendigen fürsorglichen Handlungen, ist das Kindeswohl gefährdet.
Hinweis:
Von Vernachlässigung ist die Rede, wenn Erziehungsberechtigte oder -beauftragte eines oder mehrere Grundbedürfnisse von Kindern ständig oder wiederholt nicht erfüllen.
In der Praxis ist es häufig schwierig zu bewerten, ob eine Vernachlässigung tatsächlich vorliegt. Die Erziehungs- und Umgangsstile können variieren. Die Lage ist von den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe sowie letztlich vom Gericht einzuschätzen. 

‌Formen der Vernachlässigung:
  • Körperliche Vernachlässigung: 
    ‌Mangelhafte Versorgung mit Flüssigkeit, Nahrung, wetterangepasster Kleidung, Hygiene, Medizin, nicht ausreichend großer Wohn- und Bewegungsraum zählen zu körperliche Vernachlässigung.
  • Beispiel:
    Das Kind ist ständig mager, müde, ohne Energie, ist im Winter zu wenig warm angezogen oder weist ähnliches auf.
  • Emotionale Vernachlässigung: 
    ‌Unzureichende emotionale Anteilnahme am Leben des Kindes, Mangel an Aufmerksamkeit, emotionaler Wärme und Nähe, Wertschätzung, Geborgenheit, nichtvorhandenes Interesse an der emotionalen und sozialen Entwicklung des Kindes.
  • Beispiel:
    Die Eltern beschäftigen sich fast nie mit dem Kind, verhalten sich zum Kind emotional kalt oder die engsten Bezugspersonen des Kindes wechseln häufig.
  • Erzieherische Vernachlässigung: 
    ‌Unzureichende Erziehung und kognitive Förderung, fehlende erzieherische Maßnahmen, fehlende Motivation zum Spielen, zu Aktivität und Leistung.
  • Beispiel:
    Ein 6-jähriges Kind kann noch nicht sprechen oder zeigt überhaupt kein Spielinteresse, wie es Kinder in diesem Alter üblicherweise haben. Das ist ein Hinweis auf mangelhafte Erziehung.
  • Unzulängliche Aufsicht: 
    ‌Missachtung der Aufsichtspflicht, Alleine-Lassen der Kinder – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wohnung – , unzulängliches Einschreiten, wenn das Kind z.B. die Türe öffnet und aus dem Wohnraum gehen möchte, die Eltern lassen ein Kleinkind über längere Zeit hinweg ohne Aufsicht.
  • Beispiel:
    Die Eltern feiern regelmäßig Partys in der Wohnung, konsumieren dabei Alkohol und Zigaretten, und kommen ihrer Aufsichtspflicht unzureichend nach.

    2) Kindesmisshandlung


    ‌Der Begriff Kindesmisshandlung bezeichnet einen Angriff auf die psychische oder physische Integrität einer minderjährigen Person. Schläge, Tritte, Beschimpfungen, Androhungen aber auch Genitalbeschneidungen fallen in diese Kategorie. 

    ‌Formen der Kindesmisshandlung:
  • Seelische Misshandlung: 
    ‌Die Unterscheidung zwischen seelischer Vernachlässigung und seelischer Misshandlung ist oft unklar. Bei der Misshandlung liegt die Betonung aber mehr auf dem aktiven Fehlverhalten der Sorgeberechtigten. Verhalten sich diese gegenüber dem Kind abwertend, ablehnend, lieblos, schreien das Kind ständig an oder ähnliches, so beeinträchtigt das die psychische Gesundheit des Kindes. Starke Trennungs- und Scheidungskonflikte können ebenfalls eine Form von seelischer Kindesmisshandlung darstellen.
  • Beispiel:
    Eine sorgeberechtigte Person stellt unrealistische Anforderungen an das Kind. Weil es diese nicht erfüllen kann, wird es ständig beschimpft und heruntergemacht.
  • Körperliche Misshandlung: 
    ‌Aktive Handlungen, welche zu beträchtlichen körperlichen Schmerzen, zu Verletzungen oder zum Tod führen. Das kann beispielsweise sein: Schütteln, Schlagen, Treten, Anspucken, Kratzen, Beißen, Würgen, Unterkühlen, Einklemmen, Wegsperren, Verbrennen, Verbrühen, Nahrungsentzug und ähnliches. 
  • Beispiel:
    Eine Mutter verliert ihre Nerven und schüttelt ihr Kind, weil diese so laut schreit.
  • Erziehungsgewalt: 
    ‌Damit sind Maßnahmen zur Erziehung gemeint, die Sorgeberechtigte an ihren Kindern ergreifen. Ziel dieser Handlungen ist nicht so sehr die Verletzung der Integrität des Kindes, als mehr das „Gefügig-Machen“ des Kindes, sodass es zukünftig besser gehorcht. Dazu gehören z.B. leichtes Ohrfeigen, leicht an den Haaren ziehen, am Arm packen, aber auch verbale Maßnahmen. Inwiefern sich Erziehungsgewalt und Misshandlung voneinander unterscheiden, bedarf der Beurteilung durch Fachkräfte. 
  • Beispiel:
    Ein Kind bekommt regelmäßig eine Ohrfeige, weil es nicht das macht, was die Eltern wollen.

    3) Sexualisierte Gewalt


    ‌Sexualisierte Gewalt bezeichnet das Ausüben sexueller Handlungen an Kindern, mit oder ohne Körperkontakt. Personenberechtigte, erziehungsbeauftragte oder andere Personen nutzen dabei das Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnis des Kindes zu ihnen sowie ihre Autorität über das Kind aus. 

    ‌Dazu gehört kann auch die Konfrontation des Kindes mit sexuellen Medien, z.B. das Zeigen von Pornos oder nicht altersgerechten Filmen. 

    Formen der sexualisierten Gewalt:
  • Seelische sexualisierte Gewalt: 
    ‌Darunter fallen unangemessene Gespräche mit sexuellem Inhalt, sexuelle Anspielungen, ordinäre und abwertende Bemerkungen im Bezug auf bestimmte Körperteile oder die Sexualität des Kindes, offene Schilderungen sexueller Erfahrungen, die das Kind wegen seines Alters nicht einordnen kann oder – wenn es etwa schon älter ist – gar nicht hören will, das Zeigen von Filmen und Videos mit sexuellen bzw. pornographischen Inhalten.
  • Beispiel:
    Die Eltern erzählen ihrem minderjährigen Kind ausführlich über ihre sexuellen Erfahrungen.
  • Körperliche sexualisierte Gewalt: 
    ‌Damit sind physische sexuelle Interaktionen mit dem Kind gemeint, mit und ohne Körperkontakt. Dazu zählt das Berühren von Geschlechtsteilen des Kindes oder die Aufforderung an das Kind, die eigenen oder die Geschlechtsteile anderer zu berühren. Auch erotisch motivierte Küsse, die Manipulation der Geschlechtsorgane des Kindes, sowie Geschlechtsverkehr in allen Formen (oral, vaginal, anal).
  • Beispiel:
    Eine erziehungsbeauftragte Person berührt das zu betreuende Kind an den Geschlechtsorganen, obwohl die Situation dies nicht erfordert (beim Windelwechseln o.ä. muss mitunter das Geschlechtsorgan berührt werden).
  • Kinderpornographie: 
    ‌Dabei werden Minderjährige akustisch oder visuell aufgenommen (Ton, Bild, Film), während sexualisierte Gewalt an ihnen ausgeübt wird. Das Material verbleibt dann beim Täter oder wird weitergegeben, manchmal auch gegen Geld.
  • Kinderprostitution: 
    ‌Kinderprostitution liegt vor, wenn die finanzielle Not von Minderjährigen ausgenutzt wird und diese zu sexuellen Handlungen aufgefordert oder gezwungen werden. Die Täter schlagen aus der sexuellen Ausbeutung von Kindern häufig selbst Profit. Oft werden dabei Kinder auch geschlagen und unter Drogen gesetzt. 
  • Sexualisierte Gewalt im Netz: 
    ‌Das Internet und die neuen Medien stellen ein großes Problem hinsichtlich der Zunahme von sexualisierter Gewalt dar. Ein besonders großes Problem der aktuellen Zeit: die öffentliche und freie Zugänglichkeit von Pornos unterschiedlichster Art. Zudem werden Kinder häufig über das Internet belästigt und zu sexuellen Handlungen aufgefordert, gezwungen, erpresst oder verführt. Über Chatrooms, Social Media Kanäle, Mobiltelefone und PC treten die Täter mit Kindern in Kontakt.
  • 4) Genitalbeschneidung


    ‌Das Thema Genitalbeschneidung wirft die Frage auf, ob das Kindeswohl dabei noch geschützt ist. Die Gesetzgebung in Deutschland unterscheidet zwischen Eingriffen an Mädchen und Eingriffen an Jungen sehr stark. 

    ‌Formen der Genitalbeschneidung:
  • Weibliche Genitalbeschneidung: 
    Das deutsche Strafgesetzbuch stellt die weibliche Genitalverstümmelung unter Strafe. Damit ist das Verletzen oder die Amputation weiblicher Geschlechtsorgane gemeint. Diese Eingriffe erfolgen in der Regel aufgrund religiös-kultureller Motive. Medizinische Eingriffe an den Geschlechtsorganen, etwa an der Gebärmutter oder den Eierstöcken sind von diesem Anwendungsbereich ausgenommen. 
  • Hinweis:
    § 226a (StGB) Verstümmelung weiblicher Genitalien 

    ‌1) Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. 

    ‌2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
  • Männliche Genitalbeschneidung: 
    ‌Die Beschneidung von Jungen ist in Deutschland nicht strafbar. Diese Tatsache sorgt für große Debatten zwischen Befürwortern und Gegnern. Befürworter argumentieren zum Beispiel damit, dass die religiösen und kulturellen Rechte der Bürgerinnen und Bürger geschützt werden müssen. Gegner erklären wiederum, dass die Beschneidungspraxis Körperverletzungen an Jungen verharmlost werden und dies eine Form von geschlechterspezifischer Diskriminierung darstellt. Mehr zu dieser Debatte können Sie in der Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags lesen.
  • 5) Gefährdung des Vermögens


    ‌Kommt die unterhaltspflichtige Person seiner Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen nicht oder ungenügend nach, ist das Vermögen des Kindes gefährdet (§ 1666 Abs. 2 BGB). Damit ist auch das Kindeswohl insgesamt gefährdet. Fehlende Unterhaltszahlungen können die Grundversorgung des Kindes in Gefahr bringen.

    Was tun bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung?


    ‌Diese Frage stellen sich Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Psychologen und Psychotherapeuten, Ärzte, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Bekannte und Verwandte der betroffenen Familie. 

    ‌Manchmal werden auch gänzlich außenstehende Dritte auf eine Gefährdung aufmerksam. Zudem drängt die Frage: „Muss eine Kindeswohlgefährdung immer gemeldet werden?“ 

    ‌Manche Berufsgruppen haben einen sogenannten „Schutzauftrag“ (§ 8a SGB VIII). Das bedeutet, sie müssen einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung immer nachgehen. 

    ‌Diese Pflicht gibt es für Berufsgeheimnisträger, also zum Beispiel für Ärztinnen und Ärzte, Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Hebammen, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Diese Meldung wird bei Fachkräften auch einfach „Meldung 8a“ genannt.


    ‌Hat eine Fachkraft aus genannten Berufsgruppen einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, muss sie folgende 3 Schritte befolgen: 

    ‌1) Anhaltspunkte prüfen – Checkliste 

    ‌2) Gefährdungsrisiko einschätzen 

    ‌3) Maßnahmen ergreifen
    Achtung:
    „Kindeswohlgefährdung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Um beurteilen zu können, ob eine Gefährdung tatsächlich besteht, muss daher der Einzelfall immer gründlich analysiert werden. Was letztlich zu tun ist, entscheidet dann das Jugendamt bzw. das Gericht.

    1) Anhaltspunkte prüfen – Checkliste


    ‌Es ist mitunter schwierig, eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen. Es gibt recht offensichtliche Fälle, wie z.B. Unterernährung, die Verwahrlosung eines Kindes, oder auch ständige Verletzungen, die auf Schläge hinweisen. In anderen Fällen ist die Situation aber schwerer einzuschätzen. Nachstehend ein Einschätzungsbogen für alle Fachkräfte, die zum Schutzauftrag verpflichtet sind. Die Checkliste zum Downloaden dient zur Orientierung, ersetzt daher keinesfalls die tatsächliche Checkliste der öffentlichen Einrichtungen und anderen qualifizierten Anlaufstellen. 
    ‌‌

    2) Gefährdungsrisiko einschätzen


    ‌Nachdem mithilfe der Checkliste die Lage des Kindes erfasst wurde, muss das Gefährdungsrisiko eingeschätzt werden. Dies soll im Austausch mit den Fachkollegen geschehen. Je nachdem, wie kindeswohlgefährdend die Situation ist, muss dann mehr oder weniger stark reagiert werden.
    Achtung:
    Es gibt verschiedene Faktoren, die das Gefährdungsrisiko verschärfen. Zum Beispiel das Alter des Kindes. Dasselbe gilt, wenn das Kind psychisch oder physisch krank ist. Hier sollte so schnell wie möglich interveniert werden. 

    3) Maßnahmen ergreifen


    ‌Angenommen, die Einschätzung mit den Fachkollegen hat ergeben, dass eine kindeswohlgefährdende Situation vorliegt. Was nun? 

    ‌1) Eltern informieren: 
    ‌In einem ersten Schritt werden die Eltern über den Verdacht informiert. Dann hängt viel von der Kooperationsbereitschaft dieser ab. Wird die Gefahr wahrgenommen und abgewendet? Oder bleibt die Gefährdung weiterhin bestehen? 

    ‌2) Jugendamt kontaktieren: 
    ‌Können die Eltern die kindeswohlgefährdende Situation nicht abwenden, muss das Jugendamt kontaktiert werden. 

    ‌>> Kinderschutzhotline: 0800 19 210 00 (24 Stunden täglich erreichbar) 

    ‌>> Jugendämter 

    ‌>> Kinderschutzzentren 

    ‌3) Im Notfall: 
    ‌Befindet sich das Kind in akuter Gefahr, müssen selbstverständlich und unverzüglich die Polizei und Rettungseinsatzkräfte gerufen werden. 

    ‌>> Polizei: 110 

    ‌>> Rettung & Feuerwehr: 112
    Hinweis:
    Es ist gar nicht so einfach, einer Kindeswohlgefährdung auf den Grund zu gehen und die richtigen Schritte zu tun. Ob jemand tatsächlich gefährdet ist, sollte im Austausch mit anderen beurteilt werden.
    4) Jugendamt kontaktiert Familie: 
    ‌Das Jugendamt wird daraufhin aktiv, sucht das Gespräch mit den Eltern oder Sorgeberechtigten, bietet Beratungsleistungen und Unterstützungen der Kinder- und Jugendhilfe an. 

    ‌5) Weitere Maßnahmen des Jugendamtes: 
    ‌Nach eingehender Beurteilung mit anderen Fachkollegen, kann ein Hausbesuch bei der jeweiligen Familie erfolgen. Können oder wollen die Sorgeberechtigten nicht mit kooperieren, kann das Kind in Obhut genommen werden. Oder: Leisten die Eltern nicht die geforderte medizinische Hilfe, kann dies angeordnet werden. 

    ‌6) Maßnahmen des Gerichts: 
    ‌Zeigen die Maßnahmen des Jugendamts keine Wirkung oder müssen die Rechte der Eltern zum Wohle des Kindes eingeschränkt werden, wird das Gericht eingeschaltet. Das Gericht ist grundsätzlich kooperationsbereit und sich der Tatsache bewusst, dass Kinder von ihren leiblichen Eltern nur in Ausnahmefällen getrennt werden sollen. In Extremfällen kann es aber zum Sorgerechtsentzug und sogar zum Kontaktverbot zwischen gefährdender Person und Kind kommen.
    Hinweis:
    Das Handbuch „Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD)“ gibt vertiefende Einblicke ins Thema, besonders für Fachkräfte.

    Was können Privatpersonen bei Verdacht tun?


    ‌Wer nicht zur Gruppe der Berufsgeheimnisträger (Kinder- und Jugendhilfe-Mitarbeiter, Ärzte, etc.) gehört, kann und soll bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ebenfalls aktiv werden. Eine Verpflichtung dazu gibt es zwar nicht. Besser ist es aber, Gefährdungslagen ernst zu nehmen. 

    ‌Bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung kann man eine Beratungsstelle der Kinder- und Jugendhilfe oder – bei höherem Gefährdungsgrad – gleich die Kinderschutzhotline bzw. das Jugendamt kontaktieren. 

    ‌Im Gespräch mit Fachpersonal wird die Situation des Kindes besprochen und eingeschätzt, weitere Schritte werden geplant.
    Achtung:
    Ist ein Kind unmittelbar in Gefahr, müssen unverzüglich Polizei und Rettungskräfte alarmiert werden.

    Wie kann der Staat eingreifen?


    ‌Zeigt das Gespräch mit der Familie bzw. den Sorgeberechtigten nicht die geforderte Wirkung und weigern sie sich, Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zu beanspruchen, sieht sich das Gericht gezwungen Maßnahmen zu ergreifen:
    Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls 

    ‌Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere 

    ‌1) Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, 

    ‌2) Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, 

    ‌3) Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 

    ‌4) Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, 

    ‌5) die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 

    ‌6) die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

    Was können beschuldigte Personen tun?


    ‌Wer vom Jugendamt kontaktiert wird, weil es einen Kindeswohlgefährdungsverdacht gibt, weil es das Kind in Obhut nehmen möchte oder ähnliches, sollte sich unbedingt kooperationsbereit zeigen. 

    ‌Es gibt jedoch auch Situationen, in denen Menschen zu Unrecht beschuldigt werden. In einem solchen Fall sollte man sich beraten lassen und einen Anwalt für Familienrecht einschalten. Dieser unterstützt dann bei der Kooperation mit Jugendamt und Gericht und leistet Rechtsbeistand bei allen möglichen Streitfragen.

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    Welche rechtlichen Grundlagen gibt es?


    ‌Das Thema Kindeswohl wird in unterschiedlichen Gesetzestexten thematisiert. Jedes Kind hat ganz grundsätzlich ein …
  • Recht auf Leben
  • Recht auf körperliche Unversehrtheit
  • Recht auf Achtung seiner Menschenwürde
  • Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit
  • Die wichtigsten Gesetze für Kindeswohlgefährdung:

  • § 1631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Inhalt und Grenzen der Personensorge
  • Hinweis:
    Der Begriff „Kindeswohlgefährdung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Zur besseren Einschätzung, ob sich ein Kind in einer kindeswohlgefährdenden Lage befindet, gibt es für Fachpersonal eine Checkliste. Die Liste dient nur als Orientierungshilfe.

    Relevante Paragraphen im Strafgesetzbuch:

  • § 171 Strafgesetzbuch (StGB) – Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht 
  • § 174 Strafgesetzbuch (StGB) – Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
  • § 176 Strafgesetzbuch (StGB) – Sexueller Missbrauch von Kindern
  • § 176a Strafgesetzbuch (StGB) – Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern 
  • § 176b Strafgesetzbuch (StGB) – Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge
  • § 180 Strafgesetzbuch (StGB) – Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger 
  • § 182 Strafgesetzbuch (StGB) – Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
  • § 184 Strafgesetzbuch (StGB) – Verbreitung pornographischer Schriften
  • § 225 Strafgesetzbuch (StGB) – Misshandlungen von Schutzbefohlenen 

  • Was zeigt die Statistik?


    ‌Das Statistische Bundesamt analysiert die Situation der Kinder und Familien in Deutschland ständig. Hier ein paar Eckdaten zum Thema Kinderschutz und Kindeswohl:
  • Im Jahr 2020 waren ca. 45.400 Kinder in Obhut (8% weniger als 2019) 
  • Im Jahr 2019 war die häufigste Form von Kindeswohlgefährdung die Vernachlässigung (fast die Hälfte der Fälle), gefolgt von mehreren Gefährdungsarten gleichzeitig (20 %) sowie psychischer Misshandlung (16%) und körperlicher Misshandlung (15 %). Um sexualisierte Gewalt handelte es sich in 4 % aller Fälle. 
  • Im Jahr 2019 gab es 55.500 registrierte Fälle von Kindeswohlgefährdung (10 % mehr als 2018) 
  • Im Jahr 2019 haben die Jugendämter bundesweit 173 000 Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung geprüft (15 % mehr als 2018) 
  • >> Hier geht’s zu den Analysen, Statistiken, Tabellen, Entwicklungen und aktuellen Meldungen des Statistischen Bundesamtes.

    Weiterführende Beiträge

  • Jugendschutz im Internet
  • Kindeswohlgefährdung – Recht einfach erklärt

    Was heißt „Kindeswohlgefährdung“?

    Von Kindeswohlgefährdung ist die Rede, wenn das körperliche oder geistige Wohlbefinden eines Kindes ständig oder wiederholt in Gefahr ist. Grundsätzlich ist zu unterscheiden: Missbrauch des Sorgerechts, Vernachlässigung, unverschuldetes Versagen oder das Verhalten eines Dritten. 

    ‌Weiterlesen: Was versteht man unter Kindeswohlgefährdung?

    Welche Arten der Kindeswohlgefährdung gibt es?

    Die Formen der Kindeswohlgefährdung sind: körperliche und seelische Vernachlässigung, körperliche und seelische Kindesmisshandlung, sexualisierte Gewalt, Genitalbeschneidung sowie Gefährdung des Kindesvermögens. 

    ‌Weiterlesen: Welche Formen der Kindeswohlgefährdung gibt es?

    Was ist eine 8a Meldung?

    Haben Berufsgeheimnisträger einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, müssen sie aktiv werden und ihren Schutzauftrag wahrnehmen. Zuerst sollten sie versuchen, mit den Eltern des Kindes und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe eine Lösung zu finden. Ist dies nicht möglich, muss das Jugendamt informiert werden. 

    ‌Weiterlesen: Was tun bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung?

    Was sind wichtige Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung?

    Gewichtige Anhaltspunkte sind z.B.: das Kind ist unterernährt, ungenügend bekleidet, ständig krank und von der Schule abwesend, es hat Wunden von Schlägen, Verbrennungen, es ist stark verängstigt und depressiv, es meidet soziale Kontakte, es ist geistig und körperlich nicht seinem Alter entsprechend entwickelt etc. 

    ‌Weiterlesen: Kindeswohlgefährdung beurteilen – Checkliste

    Welche Maßnahmen kann der Staat bei Kindeswohlgefährdung ergreifen?

    Das Gericht kann zum Beispiel anordnen, dass die Familie öffentliche Hilfen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen muss. In schwerwiegenden Fällen kann es auch bestimmen, dass die gefährdende Person sich dem Kind nicht mehr nähren darf, dass das Sorgerecht entzogen wird oder Ähnliches. 

    ‌Weiterlesen: Wie kann der Staat eingreifen?

    Was sind die rechtlichen Grundlagen für die Kindeswohlgefährdung?

    Die wichtigsten Gesetze zum Thema Kindeswohlgefährdung sind: Artikel 6 (2) des Grundgesetzes (GG), Paragraph 1666 BGB, Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), einzelne Paragraphen des Strafgesetzbuches, das Bundeskinderschutzgesetz, die UN Kinderrechtskonvention. 

    ‌Weiterlesen: Welche rechtlichen Grundlagen gibt es?

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